Mühlen warnen vor Engpässen

Mühlen warnen vor Engpässen

Wohl dem, der auf ein regionales Netzwerk setzen kann und Anbauverträge mit lokalen Landwirten geschlossen hat: So einen Getreidemarkt habe er in seinem gesamten Berufsleben noch nicht erlebt, sagt Michael Gutting, Müller und Präsidiumsmitglied des Verbands der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft (VGMS): „Es ist derzeit schwierig bis nahezu unmöglich Getreide mit passenden Qualitäten in ausreichenden Mengen zu beschaffen. Und wenn wir Getreide kaufen können, können wir es nicht transportieren.“ Obwohl das Preisniveau auf den Getreidemärkten ausgesprochen hoch ist, kann der Getreidehandel die Nachfragen nach Getreide nicht ausreichend bedienen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Marktkenner raten dazu, sich spätestens jetzt um die langfristige Beschaffung der Rohstoffe für die kommenden Monate zu kümmern, um Versorgungsengpässe im Frühjahr noch abzuwenden.

Extrem turbulente Getreidemärkte
Eine unterdurchschnittliche Ernte mit extrem heterogenen Qualitäten in Deutschland, vor allem aber schlechte Ernten in wichtigen Anbauregionen in der Welt, führten zu extrem turbulenten Getreidemärkten, so der Verband. Die Preise für Getreide steigen und erreichen inzwischen historische Höchststände. Fehlende Mengen und Qualitäten in anderen Ländern machen das Exportgeschäft mit Qualitätsweizen derzeit sehr attraktiv. Die deutschen Drittlandexporte an Weichweizen summieren sich bisher auf rund 1,07 Millionen Tonnen – gut doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum. Zudem fehlt es überall an Transportkapazitäten. Weder LKW noch Schiffe seien zu bekommen, wie nahezu alle Mitgliedsunternehmen berichten. „Wir sehen massive Versorgungsengpässe, die Situation ist in der gesamten Logistik überaus heikel und ein Nadelöhr in der Rohstoffbeschaffung wie bei der Belieferung der Kunden“, sagt Peter Haarbeck, Geschäftsführer des VGMS.

Ernst der Lage wird nicht erkannt
Obwohl die Kosten für sämtliche Rohstoffe, Energie und Logistik oder auch für Verpackungsmaterialien drastisch gestiegen sind, scheint der Ernst der Lage noch nicht bei allen Marktpartnern angekommen zu sein. So werden gestiegene Rohstoffpreise und Kosten weiterhin ignoriert. Offenbar wird auf eine sich entspannende Lage spekuliert. Gutting sagt dazu: „Wir können bei der derzeitigen Situation am Markt für die Kunden erst Rohstoffe einkaufen und produzieren, wenn Bestellungen zu den an die aktuelle Situation angepassten Preisen vorliegen. Alles andere ist unternehmerischer Selbstmord.“  Derzeit ist nicht abzusehen, wie sich der Markt weiterentwickelt. Branchenexperten prophezeien, dass das Getreide in diesem Jahr dort hinfließen wird, wo die höchste Zahlungsbereitschaft besteht. Und das ist derzeit nicht der deutsche Markt.

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