Regionalen Honig fördern

Regionalen Honig fördern

Gepanscht, gestreckt,verdünnt: Die Meldung von der massiven Zunahme mit Zuckersirup gestreckter Honige machte unlängst die Runde. 46 Prozent der 320 untersuchten Honigproben entsprachen laut dem letzten EU-Kontrollbericht nicht der europäischen Honigrichtlinie, meldet der Deutsche Berufs- und Erwerbsimker-Bund. Das heißt: Jedes zweite Glas Honig war gestreckt – dreimal mehr als noch 2017. Vor allem Honig aus China und der Türkei seien negativ aufgefallen und sämtliche Proben aus Großbritannien. Fazit des Fachverbandes: Man sollte noch besser hinzuschauen, was auf dem Glas steht. Denn oft ist der Honig zwar in Deutschland oder Europa abgefüllt, aber eben nicht dort produziert. Auch gesellschaftlich und politisch ist das viel mehr von Bedeutung als es zunächst erscheint. Denn der Wert von regionaler Produktion, von Herstellern, denen wir vertrauen können, wird uns mit solchen Skandalen einmal mehr vor Augen geführt.

Sichere Lebensmittel: Lokal produziert und ums Eck verkauft
Wer sicher sein will hochwertige Lebensmittel zu bekommen, der kauft am besten regional. Dieser Ansicht sind viele Deutsche. Laut Statista gaben im Herbst 2022 über 74 Prozent der Befragten an, dass sie Produkte aus der Region bevorzugen, um hiesige Erzeuger zu unterstützen. Aber hier beißt sich ­ zumindest beim Honig – die Katze in den Schwanz, warnt der Fachverband: Denn in Deutschland wird mit einem Kilo pro Kopf und Jahr mehr Honig gegessen als hergestellt. Dreiviertel des Bedarfs muss importiert werden.

Warum wir den Beruf mit den Bienen besser fördern sollten
Doch wer produziert bei uns eigentlich die großen Honigmengen für den Handel? Deutschland ist ein Land der Freizeitimker. Über 90 Prozent der Imkerinnen und Imker betreiben die Bienenhaltung als Hobby. Zwar ist ihre Zahl in den letzten Jahren auf über 150.000 deutlich angestiegen, trotzdem ist die Menge der betreuten Bienenvölker mit einer Million in etwa gleich geblieben. Nur rund vier Prozent der Imker machen das haupt- oder nebenberuflich. Dabei halten sie über die Hälfte der Bienenvölker. Aber die Zahl der großen Erwerbsimkerinnen und Erwerbsimker schwindet. Das Geschäft mit dem Honig scheint schwierig.

Wer traut sich noch ins Honiggeschäft?
Während die meisten Hobbyimker ihren Überschuss in der Familie verschenken und an der Haustüre oder an Freunde und Kollegen verkaufen, muss der Berufsimker davon leben, seine Familie ernähren und je nach Betriebsgröße auch Mitarbeiter bezahlen. So wie Ursula Lensing. Die studierte Biologin betreibt mit ihrem Partner die Bioland-Imkerei „Honiglandschaften“ im bayrischen Landkreis Aichach-Friedberg bei Augsburg. Sie beschäftigen eine Vollzeit- und eine Minijobkraft. „Das hätten wir uns vor sieben Jahren auch nicht träumen lassen.“ Mit Mitte 40 sind beide damals aus ihren Karrierejobs in der Pharmabranche ausgestiegen. „Wir wollten wieder mehr in die Natur. Mit unserem BioStudium kommen wir ja aus der ökologischen Richtung, das haben wir vermisst.“ Was mit 12 Völkern auch hier als Hobby begann, wuchs sich sehr schnell zum Haupterwerb aus – ohne offizielle Imkerausbildung, als reine Autodidakten. „2018 stiegen wir dann mit 50 Völkern beruflich um und haben jetzt bei 200 Wirtschaftsvölkern erst einmal gestoppt.“ Mehr schaffen sie derzeit nicht.

Porträt Imker Max Weber
Ganz anders lief das bei Max Weber. Zwar ist auch er Biologe, hat zur Biodiversität geforscht, wollte auch wieder raus in die Natur und „mit den Händen arbeiten“, doch er stieg vor drei Jahren in ein seit Jahren laufendes Unternehmen ein. „Ich wollte direkt von Praktikern lernen.“ In der Schlossimkerei Tonndorf in Thüringen ist er der jüngste von jetzt vier Gesellschaftern, hat hier gelernt und die Gesellenausbildung zum Imker abgeschlossen „Ich wollte wieder das Gefühl haben, etwas gleistet zu haben, etwas, das ich auch sehen und in Händen halten kann. Hier kann ich beides verwirklichen.“ In der Schlossimkerei kann er auch das methodische Arbeiten von der Uni einbringen. Denn sie ist auch Zucht- und Ausbildungsbetrieb. Die vier Honigmacher aus Tonndorf wollen ihre Bienen möglichst nah an der Natur halten, wesensgemäß, mit wenig Behandlungsmitteln auskommen und mit der eigenen Kraft der Biene arbeiten. Deshalb züchten sie ihre Bienen mit einer aufwändigen Auswahlmethode selbst, und sind in einem großen Netzwerk organisiert, wo sie ihre Königinnen auch verkaufen. Mit ihren 140 Völkern sind sie ebenfalls biolandzertifiziert.

Weites Wandern für Sortenhonig
Das klingt alles sehr eigenständig, ist aber bei aller Liebe zur Natur auch durch sie vollkommen bestimmt. Denn wenn die Blüte losgeht, und die Bienen in Schwarmstimmung kommen, herrscht Hochbetrieb in der Imkerei – dann sagt die Natur, was gemacht wird. Für anderes bleibt nicht viel Zeit. In Tonndorf wird mit den Bienen gewandert, um größere Mengen an besonderen Sortenhonige zu bekommen. Das bedeutet, nachts, wenn es dunkel ist, 50 oder 60 große und schwere Bienenstöcke aufladen, in den frühen Morgenstunden in entfernte Trachtgebiete fahren, abladen aufstellen und regelmäßig kontrollieren. Ist die Blüte vorbei, das Ganze wieder zurück. Wanderimkerei ist harte Arbeit und braucht eine große Ausstattung, die auch etwas kostet.

Wegen Corona jetzt auch Honigautomaten
Einfach nur Honig ernten und verkaufen, das reicht heute in der deutschen Imkerei nicht mehr. In Tonndorf ist man deshalb immer wieder kreativ geworden. Neben seltenen Honigsorten wie Himbeere oder Phacelia, bieten selbstgebrauten Met an und produzieren Kosmetik aus Propolis und Wachs. „Die Arbeit ist sehr vielseitig und wir müssen flexibel auf unvorhersehbares reagieren können.“ Max Weber spricht die Corona-Zeit an. „Uns sind zwei Weihnachtsmärkte komplett weggebrochen, das ist unser Hauptgeschäft und wir verkaufen ausschließlich direkt.“ In der Not haben sie zwei auffällig gestaltete Honigautomaten angeschafft. „Die ganze Sache steht und fällt mit dem Standort, da haben wir am Anfang in Erfurt ganz schön Lehrgeld gezahlt. Mittlerweile lohnen sich die zwei Automaten bei Jena definitiv.“

Ackerbohnen-Bio-Honig und Affinger Cuvée
Ganz anders in Bayern. Imkerin Lensing wandert nicht. Dafür stehen ihre Bienen an vielen Stellen im Landkreis verteilt. Immer nur 10 bis 12 Völker an einem Platz. So gewinnt sie unterschiedliche und für den Standort ganz typische Sorten. Vor zwei Jahren wurde ihr Ackerbohnen-Bio-Honig zu Bayerns bestem Bioprodukt in Silber prämiert. „Wir sind wirklich der Imker vor Ort“ betont Lensing. „Unser Honig ist genau hier von den Bienen gesammelt, von uns geschleudert und abgefüllt. Das ist unser Verkaufsargument.“ Die Imkerei hat sich für das Marketing auch etwas einfallen lassen, was es bei Honig so bisher nicht gibt. „Wir haben uns das Terroir-Konzept vom Wein abgeschaut. Bei Honig ist das ja genauso. Je nach Jahr und Wetter entstehen andere Geschmacksnuancen. Jeder Jahrgang ist anders.“ Daraus entstand der Affinger-Cuvée – eine Mischung aus Frühlings- und Sommerernte nur aus der Landschaft um Affing.

Kennzeichnungspflicht für mehr Verbraucherschutz?
Der Jahrgangshonig kommt in der Region gut an. „Es wäre schön, wenn wir wie beim Wein auch eine Kennzeichnungspflicht für die Herkunft hätten. Im Moment muss nur draufstehen, wo der Imker sitzt, egal wo seine Bienen tatsächlich gesammelt haben oder ob der Honig sogar zugekauft ist.“ Eine solche konkrete Herkunftsbezeichnung wäre für den Verbraucher so etwas wie eine Garantie, wenn er wirklich aus der Region kaufen möchte. Und wie man am Panscherei-Skandal sieht, scheint uns der Blick aufs Etikett wohl im Moment doch nicht viel zu helfen.

Imker und Bauern: getrennt und doch zusammen
Das Label Bioland sei ein gutes Verkaufsargument, sagt Imker Max Weber. „Wir sind über das Label auch gut vernetzt, vor allem mit Landwirten.“ Auch in Augsburg klappt die Zusammenarbeit mit den Biobauern sehr gut. Regelmäßige Treffen und Absprachen helfen der Imkerin, sie bekommt dadurch auch gute Stellplätze für die Bienen. „Außerdem braucht uns die Landwirtschaft“, so Lensing. Die Biologin ist seit diesem Jahr Landesgeschäftsführerin beim Deutschen Berufs und Erwerbs Imker Bund in Bayern und bei Bioland stellvertretende Gruppensprecherin für die Imkerinnen und Imker. Sie sieht beide Seiten: „Die Bestäubungsleistung der Biene ist immens und wird allein in Deutschland volkswirtschaftlich mit 3,8 Milliarden Euro beziffert. Ein vollständiger Ausfall würde drei Milliarden Verlust beim Bruttoinlandsprodukt bedeuten.“

„Wir fordern bessere Förderung“
Trotz all dem werden Berufsimker für diese Wirtschaftsleistung so gut wie nicht unterstützt. „Wir bekommen keine Grundstützung wie Landwirte, sind nicht steuerbefreit wie Hobbyimker und erhalten noch nicht mal eine Kompensation bei Ernteausfällen.“, beklagt die Imkerin. „Wir sichern mit unseren Bienen die Ernte von hochwertigem Obst und Gemüse. Damit zählen wir zwar zur Landwirtschaft, werden aber nicht so behandelt. Das muss sich ändern.“

Den Aufbau ihrer Imkerei haben sie komplett mit einem sechsstelligen Betrag selbst finanziert. „Sehr viele fangen im Nebenerwerb an, kaufen die Ausstattung nach und nach und erweitern langsam. Einige kommen auch aus einem landwirtschaftlichen Familienbetrieb, da sind Flächen, Räume und Fahrzeuge vorhanden“, erklärt der Tonndorfer Max Weber. Es gibt auch junge Imker, die nach der Ausbildung zum Gesellen erst einmal ins Ausland gehen und sich ihr Startkapital dort verdienen. Hier braucht es den politischen Willen, die Leistung und die Bedeutung den Beruf als Imker anzuerkennen und als Säule unserer Lebensmittelversorgung gleichwertig zu den Landwirten zu sehen.

Gerechtere Verteilung der Agrarsubventionen und Stärkung kleiner Betriebe
Beide Imker wünschen sich eine gerechtere Verteilung der Agrarsubventionen und eine Stärkung kleinerer landwirtschaftlicher Betriebe. Damit wäre auch für die Biodiversität etwas getan. Denn kleinflächige landwirtschaftliche Strukturen mit Hecken, blühenden Säumen und zusammenhängenden, vernetzten Biotopen sind das, was Bienen brauchen – und zwar Honig- und Wildbienen. „Wir müssen solche Konzepte diskutieren und zügig umsetzen“, sind sich Biodiversitätskenner Weber und Ökologin Lensing einig. Wir brauchen keine Feindbilder und Scheindiskussionen, sondern vernünftiges Vorgehen mit gesundem Menschenverstand. Das nützt allen: den Bienen, der Natur, der Landwirtschaft und letztlich uns Verbrauchern – für hochwertige und unverfälschte Produkte aus der Region zum leistbaren, fairen Preis.