„Backwaren spielen eine zentrale Rolle bei der Ernährung der Zukunft”

„Backwaren spielen eine zentrale Rolle bei der Ernährung der Zukunft”

Kerstin Schmidt ist Geschäftsführerin bei CSM Deutschland. Mit back.intern.-Chefredakteur Mario Töpfer sprach sie über das erste Jahr mit der neuen Unternehmensstruktur, Marktchancen für Bäcker und die Probleme durch den Ukraine-Krieg.

Vor einem Jahr hat CSM Ingredients zum Tag der Übernahme durch Investindustrial einen CSM-Ingredients-Wald gepflanzt? Wie sind die Bäume angegangen?
Unseren Bäumen geht es gut, wir können beobachten, wie sie wachsen und gedeihen. Uns ging es vor allem darum, ein Zeichen zu setzen, es geht etwas Neues los. Es ist ein Symbol, dass wir wachsen wollen, es ist aber auch ein Zeichen für Nachhaltigkeit.

Hat sich die Symbolik auch auf CSM Ingredients in Deutschland übertragen?
Ja, das können wir sagen. Das Marktumfeld ist nicht immer ganz einfach, aber wir wachsen und das freut uns natürlich. Aus meiner Sicht ist der Grund nicht allein, dass wir im April letzten Jahres einen neuen Eigentümer bekommen haben. Der Erfolg kommt aus unseren Wurzeln und aus der guten Arbeit der letzten Jahre. Wir haben klare Themen, wir sprechen die Kunden direkt an. Das zahlt sich aus.

Inwieweit ist Ihr neuer Inhaber beim Wachstum hilfreich?
Er hilft uns auf alle Fälle mittelfristig und langfristig, und das ist für mich schon mal ein wichtiger neuer Punkt. Wir haben seit der Übernahme durch Investindustrial neue Kollegen an Bord, die Erfahrungen aus anderen Lebensmittelbereichen einbringen. Das ist eine neue Mischung, ein neues Team.

Um noch einmal auf das Bild mit dem Baum zurückzukommen: Wir sind zu unseren Wurzeln zurückgekehrt, dem Backzutatengeschäft. Das ist unser starker Kern seit Jahrzehnten, auf dem wir aufbauen. Unsere Inhaber unterstützen uns, das Ganze zukunftssicher zu gestalten und unsere Ideen umzusetzen. Wir haben ein Nachhaltigkeitsprogramm und investieren in Forschung und Entwicklung.

Ergeben sich da Synergien mit anderen Bereichen Ihres Inhabers?
Ja, schon, aber das gehört eher zum Kapitel mittelfristig. Es gibt erfahrene Teams, die uns mit Market Intelligence unterstützen. Die ganz großen Effekte ergeben sich eher in der Zukunft.

Was hat sich für die Kunden geändert, seit die neuen Inhaber an Bord sind?
Unser frischer Look ist das Augenscheinlichste, unser frisches Auftreten im Markt, ein gutes Selbstbewusstsein, das wir weiter fortführen. Im täglichen Kontakt mit Kunden wahrscheinlich nicht so viel. Wir haben ja eine große Kontinuität in den Personen, in den Themen und in der Art, wie wir mit unseren Business Partnern zusammenarbeiten. Für mich sind die zukunftsgerichteten Themen wichtig: Forschung und Entwicklung, das Thema Nachhaltigkeit und die Ernährung der Zukunft, wo aus meiner Sicht Brot und Backwaren eine zentrale Rolle spielen werden.

Sind die Außendienstler noch alle an Bord?
Da ist eine große Kontinuität. Das ist auch eine der Stärken, die wir haben und auf der wir aufbauen wollen: Wir bieten von technischen Lösungen über die Verkaufsberatung bis hin zu individuellen Konzepten alles an. Für sehr große Kunden und auch für kleinere Betriebe. Der einzige bedeutende Wechsel ist, dass Thomas Tanck das Unternehmen verlassen hat. Künftig wird Stefan Laackmann die Aufgaben gemeinsam mit mir bearbeiten. Er war schon als Verkaufsdirektor im Team und ist jetzt Geschäftsführer geworden.

Wird das Onlinegeschäft an Ihrem Vertriebskonzept etwas ändern?
Wir setzen im Onlinebereich auf unser Portal The World of Baking, wo der Bäcker eine weite Palette von Informationen und Unterstützung erhält: von Vermarktungskonzepten bis zu Trainings und Seminaren. Wir haben uns aber entschieden, online keine eigene Logistik und Warenkette aufzubauen. Wir arbeiten nach wie vor mit unseren Partnern, die unsere Kunden direkt besuchen und beliefern. The World of Baking ergänzt diese Arbeit sehr gut.

Wie wichtig sind die Handwerksbäcker und Konditoren für CSM Ingredients in Deutschland?
Sie sind für uns sehr, sehr wichtig. Nicht nur heute, sie werden es auch in der Zukunft bleiben. Der Kern des Unternehmens bleibt bestehen, und das sind natürlich auch unsere Bäcker und Konditoren, mit denen wir super gerne und erfolgreich seit Jahren zusammenarbeiten.

Die Zahl der backenden Betriebe sinkt weiter. Wie reagiert CSM Ingredients darauf? Wie wollen Sie das ausgleichen?
Ich glaube, das gelingt uns in der Zusammenarbeit mit den verbleibenden Betrieben. Wir sehen seit Jahren eine Konzentration. Die Zahl der produzierenden Betriebe geht zurück, die Zahl der Verkaufsstellen kaum. Und der Konsum an Backwaren ist relativ stabil. Unsere Erfahrung ist, dass die verbleibenden aktiven Teilnehmer viel auffangen können und sich so aufstellen, dass sie auch in Zukunft erfolgreich sein können. Sie denken noch unternehmerischer, sie sind oft vielseitiger.

Wie wirkt sich dieses Denken auf die Branche aus?
Als ich in den 90er-Jahren die ersten Schritte in der Branche machte, da gab es Vorbehalte, weil ich keine Bäckerin bin. Damals wurde noch sehr stark von der Produktion gedacht, Marketing spielte kaum eine Rolle. Die Produktion ist natürlich nach wie vor ein wichtiger Punkt. Wenn es da morgens um 3 und 4 Uhr nicht funktioniert, dann ist für den Rest des Tages auch mit Marketing und Kundenkommunikation nicht mehr viel zu retten.

Aber wir wissen inzwischen alle, dass das Portfolio und wie es der Unternehmer vermarktet und positioniert, sehr viel zum Erfolg des Geschäfts beiträgt. Betriebe dabei zu unterstützen, ist eine unserer Stärken, die wir auch weiter vorantreiben.

An vielen Stellen steigen die Kosten: Dieselpreis, Getreide, Sonnenblumen. Welche Auswirkungen erwarten Sie davon auf Ihr Geschäft? Werden Sie da auch an der Preisschraube drehen?
Das sind spannende Fragen. Ich glaube, dass unsere Branche das Potenzial hat, diese Kostensteigerungen besser zu verarbeiten oder weiterzugeben. Handwerksbäcker können das besser als manche größeren Hersteller, die vom Lebensmitteleinzelhandel abhängig sind. Da ist der Druck nach wie vor enorm.

Das soll nicht heißen, dass es einfach wird, die Preise anzuheben. Aber ich glaube, viele Verbraucher sind sehr gut informiert, verstehen die Zusammenhänge und können Preiserhöhungen nachvollziehen. Betriebe, die da plausibel kommunizieren, haben es leichter. Auch bei CSM Ingredients kann es ohne Preisveränderungen nicht gehen. Das sind solche gravierenden Veränderungen, das kann keiner in der gesamten Kette einfach wegstecken. Es wird also Preiserhöhungen geben. Aber ich denke, dass man mit Qualitätskonzepten nach wie vor überzeugen kann. Das Geschehen in der Ukraine gibt nochmal eine extreme Dynamik.

Zeichnen sich denn für Ihre Produkte Versorgungsengpässe ab?
Es ist eine Situation, die wir in den letzten 20, 30 Jahren so nie erlebt haben. Wir haben das Glück, einen sehr verzahnten Einkauf und eine Market Intelligence zu haben. Dadurch wissen wir, wo wir die entsprechenden Rohstoffe und ausgewählte Komponenten bekommen. Die intensiven Kontakte zu unseren Lieferanten helfen uns dabei, die Versorgungssicherheit grundsätzlich zu gewährleisten.

Sind Sie direkt von der Ukraine betroffen? Was kauft CSM Ingredients als Backzutatenhersteller da ein?
Vor allem Sonnenblumen, da hängt eine ganze Kette dran. Vom Öl über die Rohware für Lecithin. Sonnenblumen finden sich in vielen Schokoladen und Schokoladenprodukten. Aber auch Getreide kommt von dort. CSM Ingredients macht rund 30 Prozent des Umsatzes mit Fetten, Ölen und Margarine, 70 Prozent mit Backzutaten.

Dann bekommen Sie auch Probleme, wenn Sonnenblumen aus der Ukraine ausbleiben …
Wir kennen uns in der Welt der Pflanzenöle sehr gut aus, haben unsere Quellen und können die Zutaten entsprechend anpassen. Größere Engpässe für unsere Kunden erwarte ich nicht. Wenn Ausfälle konkret werden, haben wir Pläne, um den Markt mit alternativen Lösungen zu bedienen.

Wie sollten sich backende Betriebe aufstellen, um für die Zukunft fit zu sein?
Es ist wichtig, seine eigene Identität zu kennen: Bin ich jetzt ein Spezialist, will ich ein ganz besonders großer Betrieb werden? Womit kann ich erfolgreich sein? Davon hängt ja ab, was ich einkaufe, was ich herstelle und meinen Kunden anbiete. Daraus kann dann ein fokussiertes, ausgewähltes Portfolio entstehen, das ich unterhaltsam und ansprechend gestaltet präsentiere. Dann sind die Chancen groß, dass die Kunden gerne immer wieder kommen. Und sie müssen sicher sein, dass ihr Lieblingsprodukt immer in der gleichen Qualität da ist. Zum Schluss ist es ebenso wichtig darüber zu reden, was den Betrieb so besonders macht. Ganz nach dem Sprichwort: Tue Gutes und rede darüber.

Und dann ist Ihnen nicht bange um die Branche?
Nicht um die kreativen Köpfe. Da hat sich viel bewegt in den letzten Jahren. Gerade mittelständische Unternehmen und Handwerksbetriebe nehmen nicht mehr alles als gegeben hin und fragen sich: Was mache ich in den nächsten zehn Jahren? Wie muss ich mich aufstellen? Die vielen äußeren Einflüsse geben sicherlich nochmal einen Ruck und fordern die Betriebe und ihre Mitarbeiter sich weiterzuentwickeln.

Was sind für Sie die wichtigsten Erfolgsfaktoren?
Wichtig sind differenzierte Konzepte, die Nachhaltigkeit und die Pflanzenpower. Ich glaube, dass unsere Branche komplett unterschätzt wird, wenn es um pflanzliche Ernährung geht. Alle schauen auf vegane Schnittwurst, Wienerle und Döner. Bäcker können mit speziellen Konzepten, aber auch mit Dingen, die wir heute schon haben, sehr viel bewegen. Da sehe ich nochmal eine gute Chance für unsere Branche. Immer mehr Menschen werden bewusst sagen, ich ernähre mich zweimal die Woche pflanzenbasiert und tue mir und der Umwelt etwas Gutes. Da müssen wir zeigen, was die backende Branche alles zu bieten hat. Dabei geht es nicht nur um eine vegane Torte.

Noch eine persönliche Frage zum Schluss: Was machen Sie am liebsten, wenn Sie nicht arbeiten?
Ich habe zum Glück mein Hobby zum Beruf gemacht und bin schon immer gerne gereist. Es macht mir wahnsinnigen Spaß, Leute aus verschiedenen Ländern zu treffen und auch das Essen vor Ort zu genießen. In den letzten zwei, drei Jahren habe ich das Malen für mich entdeckt, das ist eine andere kreative Seite. Etwas mit Farben zu gestalten, ist ein guter Ausgleich.


Kerstin Schmidt ist Geschäftsführerin bei CSM Deutschland und Chief Commercial Officer Central Europe & UK und Global Category Lead Bread bei CSM Ingredients. Sie ist kommerziell verantwortlich für Central Europe sowie UK und leitet weltweit das Brot-Geschäft. Schmidt hat mehr als 18 Jahre Erfahrung bei CSM Ingredients. In dieser Zeit war sie in verschiedenen Managementpositionen im Unternehmen tätig, unter anderem in der Produktentwicklung und -innovation sowie im Business Development. Sie hat einen Abschluss in Lebensmittelchemie von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.