iba 2023: Auf den Spuren der Food Trends

iba 2023: Auf den Spuren der Food Trends

Was sind die Food Trends der Zukunft? Welche Erwartungen haben Kunden an der Bäckereitheke von morgen? Neben Handwerk, Digitalisierung und Nachhaltigkeit bildet Food Trends das vierte Fokusthema der Messe im Oktober. Die Messemacher haben vorab mit Karin Tischer, Trendforscherin, Food-Spezialistin und Gründerin von food & more, über die Trends gesprochen, die sich weltweit abzeichnen und wie man diese auf der iba im Zuge der iba.Food Trends Tours entdecken kann.

Seit 27 Jahren ist food & more für nationale und internationale Kunden aus Industrie, Handel, Außer-Haus-Markt und b2b-Partner, insbesondere für Bäckerei-, Konditorei- und Coffeebar-Ketten, Snackanbieter sowie die Backwarenindustrie im Einsatz. Das Forschungsinstitut entwickelt neue Innovationen und Rezepturen, maßgeschneiderte Bakery-Konzepte und bietet Kreativ-Workshops, Strategie-Beratungen und Trendvorträge an.

iba: Sie beschäftigen sich unter anderem mit Trends, den Konsumentenbedürfnissen und Potenzialen in der backenden Branche. Hier hat sich die letzten Jahre pandemiebedingt sicherlich einiges getan. Welche Food-Trends zeichnen sich 2023 ab?

Karin Tischer: Ich sehe vier große Trend-Themen: Digitalisierung, Gesundheitsorientierung mit Genuss, News aus dem Trend-Booster Food & Beverage sowie Nachhaltigkeit.

Können Sie darauf genauer eingehen?

Karin Tischer: Ja gerne. Die Digitalisierung ist auf der Überholspur, darunter Robotik sowie Online-Bestell- und Bezahllösungen. Besonders im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) finden innovative Entwicklungen statt – beispielsweise bei Food-Waste, Back-Robotern und neuen Kassensystemen mit KI-Produkterkennung. Es gibt immer mehr Delivery und eine Zunahme von Ghost Kitchens, auch wegen vermehrter Home-Office-Tätigkeiten. Darüber hinaus hat sich die digitale Kommunikation stark verändert – die Kunden sehen online, was sie möchten, wollen per Smartphone bestellen und bezahlen. Eine Idee ist auch eine personallose Mini-Bäckerei, etwa der Lila Bäcker in Neubrandenburg. Ein Pick-Up Store, der 24/7 geöffnet ist: ein Verkaufsautomat, in dem man direkt die Backwaren auswählen und bargeldlos bezahlen kann. Social-Media-Aktivitäten der Bäckereien sind heute unerlässlich, Signature-Produkte müssen „instagrammable“ sein.

Trendthema zwei ist Gesundheit mit Genuss.  Das Gesundheitsbewusstsein der Menschen ist größer geworden. Eine breite Mehrheit der Bevölkerung setzt im Zuge der Gesundheitsoptimierung auf eine stärker pflanzenbasierte Ernährung, die weniger Fleisch und Fisch vorsieht. Wir sprechen hier vom „Plantarismus“. Die Kunden erwarten mehr vegane und vegetarische Alternativen. Auch das Geschmacksbild verändert sich langsam, eine Art stille Revolution des Geschmacks. Bei der pflanzlich orientierten Kost fehlt vielen jedoch der ursprüngliche Referenzgeschmack von Fleisch und Co. Den Geschmack der Konsumenten zu treffen, ist eine noch größere Herausforderung als bisher.

Den Trend-Booster Food & Beverage betreffend sind Snacking, Frühstück und Street Food die Mega-Trends. Frühstück gibt es ohne Zeitbegrenzung rund um die Uhr. Unter anderem steht hier Ei im Mittelpunkt, denn Verbraucher lieben Ei und gehen gerne Frühstücken. Egal ob Shakshuka, Turkish Eggs oder einfach auf das Brot gerieben – Eier bieten eine große Vielfalt für Frühstück und Snacking. Dazu gibt es auch vegane und vegetarische Alternativen. Auch große Brotscheiben, die üppig belegt und schön inszeniert werden, liegen im Trend. Ungewöhnliche Getränke, z.B. der aus Asien stammende Cheese Tea: Eistee mit aufgeschäumtem Frischkäse, ähnlich wie ein Smoothie.

Das Trendthema Nachhaltigkeit ist zu DNA und Image-Faktor vieler Unternehmen geworden: Erfolgreich sind nachhaltige, regionale und faire Konzepte. Besonders das Herkunftsmerkmal „aus der Region“ gewinnt an Stellenwert und läuft „Bio“ den Rang ab. Auch bei der Verpackung achten die Verbraucher mehr auf Nachhaltigkeit und kurze Wege. Stärker etabliert hat sich Indoor-Farming: Microgreens, Kräuter und Salat werden in einer Art Mini-Treibhaus direkt im Lokal angebaut – das geht auch im Bäckerei-Café. Frischer geht es nicht.

Gelten diese Trends national und international oder gibt es hier Unterschiede? Gibt es Trends, die weltweit bestehen?

Karin Tischer: Alle vier Trends spielen international eine Rolle. Wobei die Gewichtung unterschiedlich ist. International sind Pleasure, neue Geschmacksrichtungen und Snacks ein großes Thema. Bei Backwaren bietet Deutschland die größte Brotvielfalt der Welt und Kunden sind zusätzlich aufgeschlossen für Neues, von italienischen Focaccias bis zu asiatischen Bao Buns. Mediterrane Gebäcke im Home-Made-Style sind mega angesagt. In Deutschland haben wir eine sehr hohe Backkompetenz und zudem eine große, sich verändernde Frühstückskultur. Gerade junge Leute essen gerne Gerichte wie Porridge, Müsli-Bowls, Granola und Overnight-Oats. Trendpotenzial hat auch Kaffee – etwa Bumble Coffee, ein Espresso mit frischem Orangensaft auf Eis. Oder auch ausgefallene, farbenfrohe Getränke mit Super-Foods, etwa Latte mit Matcha-, Rote Bete- oder Butterfly-Pea-Pulver. Auch „Coffeetails“, Kaffee-Cocktails, sieht man weltweit.

Wie hat sich das Kaufverhalten von Kunden geändert und was erwarten Konsumenten an der Bäckereitheke von heute und morgen?

Karin Tischer: Die Verbraucher wollen nicht auf Genuss verzichten und achten stärker auf Regionalität. Falls sie wählen müssen, gilt: Regional schlägt Bio. Viele Kunden setzen auf pflanzenorientierte Ernährung. Junge Kunden bevorzugen mehr proteinhaltige Snacks oder Müslis. Auch nachhaltige Verpackungen sind unerlässlich. An der Theke suchen die Kunden Frische und Home-Made-Style, etwa Sauerteig-Brote mit Langzeitführung. Brote dürfen rustikal, die Kruste aber sollte nicht zu hart sein. Die Kunden sind jedoch noch preisbewusster geworden, es darf also nicht zu teuer sein. Fleisch geht zurück, bis auf Hühnchen. Als vegane/ vegetarische Alternativen gibt es stattdessen immer mehr Proteinalternativen, z.B. fermentierte Pilze.

Wie haben Bäckereien (Snacks & to go) ihr Angebot erweitert und inwiefern spielt hier „Individualisierung“ eine Rolle?

Karin Tischler: Gerade im Snack-Bereich hat sich das Angebot verändert, es gibt viele vegane und vegetarische Alternativen. Es ist abhängig vom Standort, ob Stadt, Lauflage oder Land etc. Die Menschen sind bequem und holen sich gerne belegte Brötchen oder Brote mit frischen Zutaten wie Salat, Gemüse oder Kräutern, somit neue Kreationen und Entlastung. Frische Früchte und Salat, Frischkäse, ein abwechslungsreicher Belag – etwa aus Falafel, Käse oder Hummus und ein raffiniertes Finish aus Microgreens, Saaten oder Nüssen lösen die „klassische Stulle“ ab. Auch „Comfort-Food“, wie warmes Porridge, Overnight-Oats, Müsli oder Granola ist gefragt. Man sieht immer mehr Cups, die angenehm verzehrt werden können. Wir haben das auch psychologisch untersucht – wenn man etwas aus einer Schale mit einem Löffel isst, ist dies eine Art friedliche, ursprüngliche Versorgung – wie früher z.B. der Milchreis bei Mama. Es ist einfach zu essen und unkompliziert.

Welche Aspekte und Themen spielen dadurch für die backende Branche, gerade auf Betriebs- und Unternehmensseite, eine wichtige Rolle?

Karin Tischer: Kosteneffizienz, Personal- und Rohstoffeinsatz sind dabei prägend. Durch den Personal- und Fachkräftemangel sowie die gestiegenen Preise für Energie und Rohstoffe, ist es eine große Herausforderung, wirtschaftlich zu arbeiten. Doch man darf nicht zu stark einsparen bzw. die Verkaufspreise nicht zu prägnant anheben, denn das tolerieren die Verbraucher nicht. Gefragt sind Key-Produkte mit USP und Storytelling, sogenannte Signature-Produkte. Weniger ist hier mehr. Betriebe der backenden Branche müssen sich überlegen: Was macht mich aus? Sie müssen eine klare Abgrenzung von ihren Mitbewerbern schaffen: Was ist mein Alleinstellungsmerkmal? Wer ist meine Zielgruppe? Und wie kann ich nachhaltiger agieren? Darauf achten die Menschen immer stärker.

Auf der iba werden sie selbst Führungen zu Food-Trends machen. Wie ist der Ablauf? Wann finden die iba.FOOD TRENDS TOURS statt und wo kann man sich anmelden?

Karin Tischer: An jedem Messetag, außer Dienstag, führe ich eine Trend-Tour über die Messe. Teilnehmer können sich auf einen kompakten kulinarischen Rundgang, bei dem man in kurzer Zeit einen Überblick über die angesagten Food & Beverage Trends auf der iba erhält, freuen. Wir werden sechs bis sieben Aussteller besuchen und bekommen Kostproben sowie Informationen. Für Fragen zu Trends und Marktentwicklungen stehe ich natürlich zur Verfügung. Die Tour moderiere ich per Mikrofon, alle Teilnehmer erhalten Kopfhörer, es wird simultan in Englisch übersetzt. Eine Tour dauert circa zwei Stunden (von 11 bis 13 Uhr) und ist kostenfrei. Maximal können sich 20 Teilnehmer registrieren. Die Anmeldung erfolgt unter: www.iba-tradefair.com/anmeldung-ibatours – first come, first serve.

Wer es nicht zur Tour schafft, kann am Sonntag, den 22. Oktober (17:00 – 17:30 Uhr) oder am Donnerstag, den 26. Oktober (14:30 – 15:00 Uhr) in die iba.SPEAKERS AREA kommen. Hier referiere ich zu den aktuellen internationalen Food & Beverage Trends. Darüber hinaus moderiere ich am Dienstag, den 24. Oktober von 17:30 – 18 :00 Uhr die Panel-Diskussion zum Thema „7 versus 19% MwSt. für Speisen in der Gastronomie sowie in Cafés und bei Snackanbietern zum Ende 2023“ mit branchenbekannten Protagonisten.

Vielen Dank für das Gespräch!