Weniger ist mehr

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Wie entwickelt sich der Biomarkt? Welche Bedeutung hat Clean Label? Und welche Chancen ergeben sich aus aktuellen Ernährungstrends? Ein Gespräch mit Thomas Nolte.

Kleine Biomärkte klagen über rückläufige Umsätze. Gilt das auch für Biobackwaren?
Nolte: Für uns hat sich der Biomarkt im vergangenen Jahr gut entwickelt, weil wir mit Kunden Konzepte umgesetzt haben, die bei den Verbrauchern gut ankommen. Ich bin überzeugt: Die grundsätzliche Linie Bio wird sich fortsetzen, auch wenn es jetzt eine kleine Nachfragedelle gibt. Biokunden haben ein anderes Bewusstsein für Ernährung. Sie sind überzeugter und darum treue Kunden. Auch wir investieren weiter in Bio. In unserem Hefewerk in Riegel entsteht gerade die dritte Ausbaustufe.

Viele Bäcker scheuen noch den Aufwand, der mit der Biozertifizierung verbunden ist. Was raten Sie denen?
Nolte: Für manche ist die Zertifizierung eine Hürde, aber dabei helfen wir. Das ist kein Hexenwerk. Ein Biosortiment lässt sich mit überschaubarem Aufwand aufbauen. Mit unseren aktuell 13 Artikeln können Bäcker ein vollständiges Brot- und Brötchensortiment anbieten. Ergänzt wird das Sortiment im Frühjahr noch durch Bio-Artisano Dinkel und Hafer – die Bio-Varianten unserer konventionellen Artisano Kochstücke mit Vorteigkomponenten.

Manche Bäcker haben Befürchtungen, dass sie mit Bio ihr anderes Sortiment herabsetzen.
Nolte: Nein, das ist überhaupt nicht der Fall. Bio ist mittlerweile Mainstream und führt völlig selbstverständlich eine entspannte Koexistenz mit konventionellen Backwaren. Der Bio- Markt wird mittel- und langfristig weiter wachsen. Bio löst zusätzliche Impulskäufe aus.

Sollte der Bäcker gleich seinen ganzen Betrieb umstellen?
Nolte: Das muss der Unternehmer ganz individuell entscheiden, um das richtige Konzept zu finden. Für Kunden ist immer auch ein Teilsortiment attraktiv, dass zeigen die Supermärkte, wo beide Produktgruppen nebeneinander erfolgreich existieren.

Gibt es regional unterschiedliche Akzeptanz für Bio?
Nolte: Die Akzeptanz hat sich grundsätzlich in ganz Deutschland mit gewissen Niveauunterschieden weiter entwickelt.

Sie werben nicht nur mit Bio, sondern auch mit Clean Label. Warum?
Nolte: Jeder Rohstoff und jeder Zusatzstoff, der nicht verwendet werden muss, ist gut. Das ist die Botschaft von Clean Label. Je weniger auf der Liste steht, um so besser. Für den Backwarenmarkt haben wir das sicherlich forciert, als wir 1992 die Schweizer Marke Agrano in Deutschland eingeführt haben. Wir wollten nicht einfach ein Brötchenbackmittel einführen, sondern eines mit möglichst wenig Zutaten, das trotzdem Spitzenqualität ermöglicht. Heute steht die Marke Agrano ganz klar für Bio und Clean Label.

Kann der Bäcker Clean Label für sein Marketing einsetzen?
Nolte: Im Supermarkt sind Clean-Label-Aufkleber auf vielen Produkten zu sehen, Bäcker loben das nicht aus, haben aber Vorteile in der Deklaration in der „Kladde“. Sie stellen mehr das Handwerkliche in den Vordergrund. Und das ist auch richtig. Für Clean Label gibt es keine gesetzlichen Regelungen. Wir haben deshalb ein eigenes Handbuch mit klaren Clean-Label-Kriterien entwickelt, welche die Basis für unsere Produktentwicklungen sind. Der Clean-Label-Gedanke wird immer die Grundlage für unsere Sortimentsentwicklung sein. Entscheidend ist aber auch, dass das Produkt höchste Qualität ermöglicht. Denn die sucht der Bäcker.

Wie zeigt sich das konkret in Ihren Produkten?
Nolte: Clean Label im süßen Sortiment heißt für uns, dass wir ausschließlich natürliche Aromen verwenden. Und es gibt in keinem unser Clean-Label-Produkte Farbstoffe oder Konservierungsstoffe. Ein gutes Beispiel ist unser Siebin Käsekuchen-Mix CL, wo zusätzlich keine modifizierten Stärken zum Einsatz kommen. In Brot- und Brötchenmitteln verwenden wir keine chemischen Emulgatoren. Das verlangt zwar mehr handwerkliche Arbeit von den Bäckern, kommt den Backwaren aber zugute.

Welche Rolle spielt das Thema vegan?
Nolte: Immer mehr Verbraucher wollen weniger tierische Eiweiße essen und suchen nach Alternativen. Mittlerweile gibt es auf der Ebene der Lebensmittelproduzenten eine Vielzahl von Unternehmen, die sich sehr stark auf diesen Markt eingestellt und entsprechende Sortimente stark ausgeweitet oder neu gegründet haben. An dem Trend weg von tierischen Eiweißen sind Bäcker mit ihren Produkten ganz nah dran und sollten das auch spielen. Da ändert sich gerade etwas Grundsätzliches in der Gesellschaft und wird immer mehr Bestandteil des Marktes sein. Das spielt den Bäckern in die Hände.

IM GESPRÄCH
Thomas Nolte ist Geschäftsführer des Backzutatenherstellers C. Siebrecht Söhne KG in Hannover. Das Unternehmen gehört zur Martin-Braun-Gruppe und ist bekannt für seine Marken Agrano (Brot/Brötchen), Siebin (Feine Backwaren) und Rau (Fette). Kontakt: Tel. 0511 4107420, https://www.siebin-agrano.de