Erste Solawi-Bäckerei gegründet

Erste Solawi-Bäckerei gegründet

In der Modellregion Goslar ist eine Bäckerei der besonderen Art an den Start gegangen. Nach mehr als einem Jahr Vorbereitung wurde jetzt der Genossenschaftsvertrag der Harz Brot eG unterzeichnet – ein fünfköpfiger Aufsichtsrat gewählt sowie zwei Vorstände berufen. Die Idee dahinter: Die Trennslinie zwischen Bäcker und Kunde soll verwischt werden, die Genossenschaftsmitglieder sollen und wollen sich als sogenannte Ko-Produzent an dem gemeinschaftlich unterstützten Handwerksbetrieb zur Herstellung von Lebensmitteln beteiligen. Das Konzept knüpft an die Idee der solidarischen Landwirtschaft an. Rund 250 Haushalte in der Region Goslar schriftlich die Unterzeichnung des Genossenschaftsvertrages zugesagt.

Die von der Slow-Food-Bewegung geprägt Bezeichnung „Ko-Produzent“ macht deutlich, was hinter dem neuen Bäckereimodell steckt. Der gesamte Prozess, von der Aussaat des Getreides, über die Vermahlung bis zum fertigen Brot, soll im Blick und Einflussbereich der Beteiligten liegen.
Die Idee, eine gemeinschaftlich getragene Bäckerei zu gründen, knüpft an das Konzept der „solidarischen Landwirtschaft“ (engl. Community Supported Agriculture) an. Auch dabei schließen sich Verbraucher und Landwirte zu lokalen Versorgungsgemeinschaften zusammen. Verantwortung und Glücksmomente, Herausforderungen und Erfolge werden geteilt.

Wertschätzungskette mit kurzen Wegen
Mit ihren Genossenschaftsanteilen in Höhe von insgesamt rund 180.000 € sind sie bereit, die Harz Brot eG gemeinsam auf den Weg zu bringen. Ihr Zins bzw. ihre Ernte sind: die sichere Versorgung mit guten, handwerklich-nachhaltig hergestellten Broten und Backwaren sowie zahlreiche Leistungen für das Gemeinwohl in der Region.
Die Gründungsfeier bei strahlendem Sonnenschein, inmitten von grünen Wiesen auf dem Gelände der Bäckerei Braun in Langelsheim (Foto) konnte nicht schöner sein. Bäckermeister Tobias Rinn, seit dem 15. Juni zusammen mit der Industriekauffrau Claudia Mehl Vorstand der Genossenschaftsbäckerei, versorgte die Genossen bei dem Fest mit den ersten Broten aus Getreide von ökologisch wirtschaftenden Betrieben aus der Region. Das Mehl aus dem Biogetreide, das zukünftig in der Genossenschaftsbäckerei verarbeitet wird, mahlt die Getreidemühle Sack in Langelsheim.

Doppelte Maschinennutzung spart Energie
„Was hier entsteht ist eine verlässliche Wertschätzungskette auf wirklich kurzen Wegen. Wir haben großes Glück, dass es bei uns in der Region eine Müllerin mit einer Mühle gibt und sich ein junger, motivierter Bäckermeister auf die neuen Aufgaben beim Aufbau der Harz Brot eG freut“, erklärteMitinitiatorin Antje Radcke am Rand der Veranstaltung. Um in Zeiten des Klimawandels und knapper werdender Rohstoffe, Ressourcen sparend zu wirtschaften, geht die Bäckerei im Herbst mit einem neuen Umsetzungskonzept an den Start. Gebacken wird, zeitlich getrennt in einer bestehenden Bäckerei in einer zweiten Schicht am Tage. Das heißt, die Öfen werden warm übergeben und die Maschinen doppelt genutzt. Getrennt wird selbstverständlich der gesamte Warenfluss.

Aus welchen ökologisch angebauten Getreidearten, Sorten und Qualitäten bei der Harz Brot eG in den kommenden Jahren Brot und Gebäck gebacken wird, wollen die Bauern und Bäuerinnen, die Müllerin, der Bäcker und die Vertreter der Genossenschaftsmitglieder gemeinsam bestimmen. Noch ist dieser partizipative Prozess Zukunftsmusik. Die Entwicklung von Kriterien soll Schritt für Schritt durch die Vermittlung von notwendigem Hintergrundwissen innerhalb des Netzwerkes möglich gemacht werden.

Grundlegend zum Konzept einer „Community Supported Bakery“ gehört, dass keine Lebensmittel verschwendet werden. Deshalb wird ein Bestell- und Verteilsystem angestrebt, bei dem am Abend kein Brot im Regal liegen bleibt. Bis zum Herbst wollen die Initiatorinnen ein System mit Abholstationen entwickeln, dass die Versorgung der umliegenden Gemeinden mit Broten und Kleingebäcken der Harz-Brot Bio-Bäckerei ermöglicht.

„Wenn die Gemeinschaft es schafft, dass die Abholstationen lebendige Treffpunkte für die Genossen und weitere Brot-Esser werden, dann erfüllt dieses System unseren Wunsch. Das Projekt Harz Brot soll zu einem Motor für die Entwicklung des ländlichen Raumes, für regionale Ernährungssicherung und faire, nachhaltige Wertschöpfungsketten werden“, so Peter Plaumann vom der Atelier Ernährungswende gUG, der gemeinsam mit Anke Kähler (Vorstand Die Freien Bäcker) und Antje Radcke das Konzept für die Genossenschaft entwickelt hat. Die Bäckerei wird Mitglied des Die Freien Bäcker und arbeitet zukünftig nach den Regeln für die handwerkliche Herstellung des Berufsverbandes.