Keine Krümel, kein Gummi

Keine Krümel, kein Gummi

Der Chemiker Prof. Dr. Matthias Lamping von der Fachhochschule Münster und Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Guido Ritter betreuen Studierende der
Oecotrophologie, die in den nächsten Monaten in einem Projekt zu glutenfreien Backwaren arbeiten. Die Grundzutat liefert das Start-up Loaf aus Düsseldorf. „Alleskönner*in“ heißt der glutenfreie Mehlersatz, der ohne Mais, Reis und ohne zugesetzten Zucker auskommt. „Der Clou ist, dass wir das Gluten vollständig und schonend aus dem Weizen entfernen. So bekommen unsere Kunden den gewohnten Weizengeschmack und müssen ihre Lieblingsrezepte, die auf glutenhaltigem Mehl basieren, nicht abändern“, sagt Loaf-Mitgründerin Dr. Sarah Hintermayer.

Zusammenarbeit für neue Ersatzprodukte

Die Studenten Simon Hüve und Raphael Utters entwickeln Rezepturen für Laugengebäck, Kekse und Baguette. Beide haben vor ihrem Studium eine Bäckerausbildung abgeschlossen. Die Studentinnen Maita Beglau und Lea Koch begleiten sie im Prozess. Beglau und Koch sind beide von Zöliakie betroffen. Seit ihrem 13. Lebensjahr weiß Beglau, dass sie von Zöliakie betroffen ist. Bevor sie ein Lebensmittel isst, muss sie sichergehen, dass es kein Gluten enthält. Die Auswahl an glutenfreien Produkten ist zwar über die Jahre größer geworden. Allerdings schmecken ihr viele Ersatzprodukte auf Basis von Mais oder Reis nicht immer. Inzwischen ist Maita Beglau 24 und Oecotrophologie-Studentin an der FH Münster. „Einfach spontan essen zu können, das vermisse ich immer noch“,
sagt sie.

Glutenunverträglichkeit Zöliakie und freiwilliger Verzicht auf Gluten

Wie der jungen Frau mit der Autoimmunerkrankung geht es etwa einem
Prozent der Bevölkerung hierzulande. Laut Deutscher Zöliakie-Gesellschaft ist
die Dunkelziffer weitaus höher. Nehmen Betroffene das Eiweiß Gluten zu sich,
reagiert ihr Körper mit Entzündungen im Dünndarm. Über einen langen
Zeitraum führen sie zu langfristigen Veränderungen, in deren Folge der Körper
Nährstoffe nicht mehr richtig aufnehmen und verwerten kann. Schon Spuren
von Gluten können Beschwerden auslösen. Während Menschen mit Zöliakie
Gluten meiden müssen, verzichten einige freiwillig darauf.

Gluten ist schwierig zu ersetzen

Gluten hält die Bestandteile im Getreidemehl zusammen und bildet ein Netzwerk, das sogenannte Teiggerüst. „Fehlt es, können die gebildeten Gase der Hefen oder anderer Backtriebmittel nicht gehalten werden. Der Teig fällt beim Backen zusammen. Gluten ist daher aus lebensmitteltechnologischer Sicht nur schwierig zu ersetzen“, erklärt Prof. Dr. Matthias Lamping. Für die Kooperation mit dem FH-Team nutzen die Biotechnologin und Loaf-Mitgründerin Dr. Sarah Hintermayer und ihr Gründerkollege Johannes Mahn einen NRW-Innovationsgutschein. Von der Zusammenarbeit verspricht sich Hintermayer gut funktionierende Rezepturen, die sowohl Endverbraucher als auch Bäckereien erreichen sollen.

Haltbar, gesund und nachhaltig

Es wird nicht nur darum gehen, die Rezepturen im Geschmack und in der
Verarbeitbarkeit zu optimieren. Es sollen auch Produkte entstehen, die haltbar,
gesund und nachhaltig sind und keine lange Zutatenliste haben. Vegetarisch
oder sogar vegan sollen sie sein und frei von sogenannten FODMAPs. Damit
sind schnell vergärende Kohlenhydrate gemeint, die unter anderem in
Backwaren vorkommen und das Reizdarmsyndrom auslösen können.
Obendrein muss im Zusammenspiel aller Zutaten die Textur stimmen. „Stimmt
sie nicht, hat man entweder Krümel oder Gummi“, bringt es die Studentin Lea
Koch auf den Punkt.

Praxis im Food Lab Münster

Für den gesamten Prozess nutzen die Studierenden die Ausstattung ihres
Fachbereichs Oecotrophologie – Facility Management: Im Food Lab muenster
arbeiten sie an der Entwicklung, den Geschmack und die Textur testen sie mit
Probanden im Labor für Sensorik. „Da steht uns noch eine Menge
spannender Arbeit bevor“, sagt Student Simon Hüve. Er freue sich aber
darauf, die praxisnahe Aufgabe anzugehen und gemeinsam Lösungen zu
finden. In den Laboren für Lebensmittelchemie untersucht Prof. Dr. Matthias
Lamping die Produkte schließlich auf Rückstände von Gluten und FODMAPs.