Folgen eines Gaslieferstopps

Folgen eines Gaslieferstopps

Wer bekommt noch Erdgas, falls Russland die Gaslieferungen stoppt? Diese Frage diskutiert nicht nur der Krisenstab der Bundesregierung seit dem Ausrufen der Frühwarnstufe des Notfallplans Gas, sie beschäftigt auch die bayerischen Spitzenverbände der Fleischer, Bäcker, Müller, Konditoren und Brauer. Durch die Preisexplosion bei Energie und Rohstoffen sowie Lieferengpässen stünden die Betriebe ohnehin schon unter hohem Druck, nun müssten sie auch noch fürchten, dass ihre Lebensmittelproduktion durch aussetzende Erdgaslieferungen unterbrochen oder stark eingeschränkt wird. Deshalb appellieren die Spitzenverbände an die Bundes- und Landesregierung, im Falle eines Gaslieferstopps auch mittelständischen Lebensmittelerzeugern Priorität bei Gaslieferungen einzuräumen.

„Außerdem sollten dringend wirksame Maßnahmen beschlossen werden, wenn unsere mittelständischen Betriebe handlungsfähig bleiben sollen“, fordert Lars Bubnick, Geschäftsführer des bayerischen Metzgerhandwerks stellvertretend für die bayerischen Ernährungshandwerke. In den fünf Landesinnungsverbänden sind rund 5.000 Mitgliedsbetriebe organisiert.

Prioritäten bei Gaslieferstopp durch Russland
Aktuell ist vorgesehen, dass Privathaushalte sowie Unternehmen der kritischen Infrastruktur wie Krankenhäuser im Falle eines Gaslieferstopps vorrangig mit Erdgas versorgt werden sollen. „Das ist nachvollziehbar und richtig“, sagt Stephan Kopp vom Landesinnungsverband für das Bayerische Bäckerhandwerk. „Aber es braucht auch jeder Grundnahrungsmittel wie Brot und Fleisch und die müssen täglich neu produziert werden – nicht nur in industriellem Maßstab, sondern auch von mittelständischen Betrieben wie denen unserer Gewerke. Wir ernähren die Bevölkerung und wir schaffen Arbeitsplätze.“

Situation verschärfe sich
Wie der Großteil der Wirtschaft, sind die bayerischen Fleischer, Bäcker, Müller, Konditoren und Brauer seit 2020 von den Folgen der Pandemie betroffen, zum Beispiel durch Umsatzausfall durch geschlossene Gastronomiebetriebe und Personalnot aufgrund von Krankheit. Dazu kommen die stark steigenden Preise für Strom, Öl, Gas und Benzin ebenso wie explodierende Beschaffungspreise für branchenspezifische Produkte wie Weizen, Öl und Saaten, aber auch Verpackungsmaterial und Maschinentechnik.

Darüber hinaus hat jede Branche mit ganz individuellen Knappheiten zu kämpfen. Den Brauern beispielsweise bereitet der Malzmarkt Kopfzerbrechen. Aufgrund einer unterdurchschnittlichen Braugerstenernte in Deutschland und anderen wichtigen Anbauländern steigen die Preise für Braugerste kontinuierlich an. „Im Vergleich zu 2021 haben sich diese fast verdoppelt. Auch Reinigungsmittel, Glasflaschen und Grundstoffe für die Herstellung alkoholfreier Getränke haben sich stark verteuert“, berichtet Mario Schäfer, Geschäftsführer des Verbands Private Brauereien Bayern.

Handwerk muss entlastet werden

Die bayerischen Ernährungshandwerke appellieren deshalb an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und sein Ministerium, dringend Maßnahmen zur Entlastung des Handwerks zu ergreifen. „Die Energiesteuern sollten für die existenzielle Lebensmittelwirtschaft dauerhaft abgesenkt werden“, nennt Dr. Josef Rampl, Geschäftsführer des Bayerischen Müllerbundes, ein Beispiel. „Die Verbrauchssteuern für Strom, Diesel und Gas sollte die Politik auf die in Europa zulässigen Mindestsätze absenken.“

Darüber hinaus appelliert Rampl, das Potenzial der heimischen erneuerbaren Energien wie die Wasserkraft bei der Energieversorgung voll auszuschöpfen. „Leider ist in dem Referentenentwurf zum Erneuerbare-Energien-Gesetz 2023 das Gegenteil geplant. Wenn der Entwurf so umgesetzt wird, droht der Wasserkraft ein massiver Rückbau.“ Aktuell produzieren rund 4.000 Wasserkraftanlagen in Bayern im Schnitt rund 12,5 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr. Das sind am Tag etwa 34 Millionen Kilowattstunden CO2-freier, importunabhängiger und kostengünstiger Strom. „Das ist Strom, den wir gut gebrauchen können und der bei Wegfallen durch Gas für die Stromerzeugung in Gaskraftwerken ersetzt werden müsste“, so Rampl.

Stellvertretend für die Spitzenverbände resümiert Lars Bubnick: „Bei Sanktionen gegen den Krieg gehen wir mit. Aber wenn die Politik jetzt nicht schnell gegensteuert und sich die Preisspiralen in allen Bereichen derart schnell weiterdrehen, dann rauschen wir mit voller Geschwindigkeit und ohne zu bremsen auf eine Wand zu.“

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